Das aktuelle Krankenkassensystem steht zunehmend in der Kritik, insbesondere und nicht zuletzt aufgrund der gesetzlichen Vorgabe, dass Vertragsärztinnen und -ärzte mindestens 25 Stunden pro Woche für Kassenpatienten verfügbar sein müssen. Diese Regelung führt zu überfüllten Wartezimmern und langen Schlangen für Patientinnen und Patienten, da die Kapazitäten begrenzt sind und viele Praxen durch eine hohe Patientenzahl stark belastet werden.
Ein Ansatz zur Verbesserung der Situation ist die Einführung einer Bürgerversicherung, die alle Bürgerinnen und Bürger gleichermaßen einbezieht und somit die Trennung zwischen gesetzlich und privat Versicherten aufhebt. Damit könnten Ressourcen gerechter verteilt und ein besserer Zugang zu medizinischer Versorgung für alle gewährleistet werden. Kritiker argumentieren jedoch, dass dies nicht automatisch zu einer Entlastung der Ärztinnen und Ärzte führen würde, sondern vielmehr eine umfassende Reform des gesamten Gesundheitssystems notwendig wäre, um strukturelle Probleme nachhaltig zu lösen.
Für die Einführung einer Bürgerversicherung sprechen gleich mehrere Argumente:
Gleichberechtigter Zugang zur Gesundheitsversorgung: Die Bürgerversicherung würde die Ungleichbehandlung zwischen gesetzlich und privat Versicherten aufheben. Alle Bürgerinnen und Bürger hätten denselben Zugang zu medizinischen Leistungen, wodurch Diskriminierung aufgrund des Versicherungsstatus vermieden wird.
Verwaltungskosten senken: Durch die Vereinheitlichung des Versicherungssystems könnten Verwaltungskosten reduziert werden, da Doppelstrukturen in der Abrechnung und Verwaltung zwischen gesetzlicher und privater Versicherung entfallen würden. Das eingesparte Geld könnte in die Verbesserung der Patientenversorgung fließen.
Solidarische Finanzierung: Die Bürgerversicherung würde auf einem solidarischen Prinzip basieren, bei dem alle einkommensabhängig einzahlen. Dies würde die Finanzierung des Gesundheitssystems breiter aufstellen und mehr soziale Gerechtigkeit schaffen, da auch Besserverdienende ihren Anteil leisten müssten.
Entlastung der Ärztinnen und Ärzte: Wenn alle Patientinnen und Patienten gleichgestellt wären, könnten Praxen ihre Kapazitäten effizienter planen und müssten keine unterschiedlichen Abrechnungsmodalitäten berücksichtigen. Dies könnte zu einer gerechteren Verteilung von Patientenzahlen führen und den Druck auf Ärztinnen und Ärzte verringern.
Schwächung der Zwei-Klassen-Medizin: Durch die Abschaffung der Privilegien für privat Versicherte (wie kürzere Wartezeiten und bevorzugte Behandlungen) würde eine gerechtere medizinische Versorgung gefördert, bei der der Bedarf im Vordergrund steht, nicht der Versicherungsstatus.
Die Umsetzung einer Bürgerversicherung erfordert zweifellos tiefgreifende Änderungen im Gesundheitssystem, weshalb die Diskussion darüber so kontrovers ist.
Es geht um die Pfründe !!!
Die Kritiker einer Bürgerversicherung kommen häufig aus dem privaten Versicherungssektor, Ärzteverbänden, und wirtschaftsnahen Organisationen. Private Krankenversicherer fürchten, dass ihr Geschäftsmodell geschwächt würde, da die Trennung zwischen gesetzlicher und privater Versicherung aufgehoben würde. Ärzteverbände äußern Bedenken, dass eine Bürgerversicherung zu niedrigeren Honoraren und damit einer Verschlechterung der Vergütung führen könnte.
Auch wirtschaftsliberale politische Parteien und Interessenvertretungen sehen die Bürgerversicherung skeptisch, da sie staatliche Eingriffe in den Gesundheitsmarkt ablehnen und befürchten, dass eine Vereinheitlichung zu einem Abbau von Wahlfreiheit und Wettbewerb führen könnte. Diese Stimmen plädieren häufig dafür, das bestehende System zu reformieren, anstatt es grundlegend umzugestalten.